Beinlängendifferenz vs Beckenschiefstand bei Kindern |
Beigesteuert von Friedrich Schelberg | |
Monday, 13 July 2009 | |
Jeder hat davon gehört, Lieder wurden darüber geschrieben, viele kennen es aus eigener Leidensgeschichte: "Du läufst ja schief", "sitz mal gerade", "häng´ nicht so rum", "kein Wunder, wenn Du im Kreis rennst…". Diese und viele andere Sprüche müssen sich unsere Kleinen anhören, ohne zu wissen, was sie falsch machen - aber die Kinder machen nichts falsch! Was bei den Großen häufig über Lumbago zu hören ist, haben auch die Kleinen. Nur diese merken es nicht, weil ihr Bewegungsdrang vieles von dem wieder ausgleicht, was bei den Größeren Probleme bereitet - zu Anfang zumindest. Aber dann kommt meist die Diagnose im Schulalter: "das Kind hat ein zu
kurzes Bein!" Wie kommt es nun dazu? Das Kreuzbein, ein Teil der Wirbelsäule trägt die beiden Beckenschaufeln. In diesen beiden Beckenschaufeln (Darmbeine) befinden sich nach unten außen die beiden Hüftgelenke und damit die Beine. Stabilität finden diese Gelenke durch viele Bänder und Muskeln. Alles ist im Wachstum, d.h., die o.g. Halteorgane haben noch nicht ihre Festigkeit erreicht. Stürzt das Kind auf Po, Becken, oder landet nach einem Sprung auf einem Bein, kann es vorkommen, dass die im Wachstum befindlichen Bänder die enorme Wucht nicht abfangen können und das Kreuz-Darmbein-Gelenk seine Stabilität verliert - und schon ist es passiert. Die beiden Beckenschaufeln sind nicht mehr in ihrer Position, die eine ist ein wenig höher oder tiefer, ein bisschen rein- oder rausgerutscht. Und damit stimmen auch nicht mehr die Höhen der Hüftgelenke und es erscheint das Bild eines Kindes mit einem zu kurzem oder zu langem Bein. Es soll nicht verschwiegen werden, dass es bei etwa 1% der Heranwachsenden zu erheblichen Wachstumsstörungen durch schwerwiegende Erkrankungen kommen kann. Allerdings habe ich in meiner langjährigen Praxis bisher nur zwei echte Beinlängenverkürzungen diagnostiziert. Vorher gilt es den Eltern, auf die Gesundheit Ihrer Kinder zu achten. Möglicherweise stellen die Eltern als erstes fest, dass das Kind die Schuhe ungleich abnutzt, oder nicht mehr so gerne laufen will. Vielleicht kann das Kind auch nicht mehr gerade sitzen, überkreuzt die Beine oder wackelt ständig auf dem Stuhl hin und her. Aber diese scheinbaren Fehler sind lediglich unbewusste Ausgleichsversuche eines jungen Menschen. Bei manchen Kinder fällt auf, das die eine Schulter scheinbar "hängt" oder das der Kopf gerne zur Seite geneigt wird. Diese und die o.g. Symptome sind mögliche Hinweise auf einen Beckenschiefstand mit scheinbar einseitiger Beinlängendifferenz. Nein, keine Angst, Ihr Kind ist noch genauso gerade wie früher - noch! Nur das Becken ist nicht mehr in seiner Position. Wieso "noch" werden Sie fragen? Nun ja - wird der Beckenschiefstand, später gerne als Iliosacralgelenksblockade bezeichnet nicht behandelt, bleibt nicht nur das Becken schief. Als erstes versucht der Körper, die Wirbelsäule auf die veränderte Statik nach oben hin einzustellen. Das gelingt ihm nur, wenn er jeden einzelnen Wirbel neu in seiner Position bestimmt. Es entsteht das "Fragezeichen" im Kreuz, die seitlich verschobene Wirbelsäule mit der Bezeichnung "Skoliose". Ich bezeichne diese als Ausgleichsskoliose, da es sich um einen natürlichen Versuch handelt, den kleinen Körper gerade erscheinen zu lassen und das Gewicht des Oberkörpers besser auf die Beckenteile und damit auf die Beine zu verteilen. Welche Auswirkungen hat ein nicht festgestellter oder falsch diagnostizierter Beckenschiefstand auf den wachsenden Organismus? Beginnen wir bei den Füßen und gehen dann langsam nach oben. Möglicherweise
erscheinen die Füße nicht mehr parallel zu laufen. Der eine Fuß
wird normal leicht seitlich aufgesetzt, der andere falsch in einem zu flachen
oder zu steilen Winkel. Damit verändert sich die Dynamik des Fußes,
als auch die Belastungen auf die gelenkigen Verbindungen im Fußskelett. Die beiden Hüftgelenke sind ähnlich betroffen. Allerdings sind die bandhaften Verbindungen stärker, als die des Knies und reagieren meist später. Die Veränderungen im Bereich des Beckens und der Wirbelsäule äußern sich meist in ziehenden, stechenden oder drückenden Schmerzen. Die Bänder und Muskeln sind auf der einen Seite verkürzt, auf der anderen Seite überdehnt. Die Nervenaustrittstellen an den Wirbelkörpern können eingeengt sein, die verspannten Muskeln tun ihr übriges. Direkt oder indirekt können auch vegetativen Nerven reflektorisch Störreize auf die Organe senden, dass sich in organischen Fehlfunktionen ausdruckt, sei es in Form von Irritationen im kleinen Becken, der Bauch- oder Brustorgane. Allerdings belasse ich an dieser Stelle die weiteren Ausführungen, da die Auswirkungen interdisziplinär (orthopädisch, internistisch, Hauptsache ganzheitlich) eingehend zu betrachten sind. Kommen wir nun zur Halswirbelsäule und dem Kopf. Wie Sie bereits gelesen
haben, sind die Fehlentwicklungen der Wirbelsäule rein funktionell zu betrachten
und keine boshafte Veränderung der Natur. Der kleine Körper versucht
sich nur selbst zu helfen. Am Übergang der Wirbelsäule zum Schädel
wird es dann aber doch sehr brenzlig. Zurück zum Thema. Das Vollbild des Beckenschiefstandes mit der scheinbaren Beinlängendifferenz
zeigt sich Dank vieler Selbsthilfemechanismen des Körpers nur selten. Diagnostik des Beckenschiefstandes Am leichtesten lässt sich ein Beckenschiefstand mit scheinbarer Beinlängendifferenz
von einem Fachmann diagnostizieren. Dann ist jetzt die Zeit gekommen zu handeln. Therapie des Beckenschiefstandes Eine eindeutige Diagnostik ist schon schwierig genug zu erlangen. Einen guten Therapeuten zu finden noch schwieriger. Kinder sind nicht nur scheinbar empfindlicher, sie sind es wirklich!!! Denn das ganze System Menschlein verändert sich tagtäglich und wächst. Die Knochen wachsen, die Bänder, Sehnen, Muskeln und Nerven. Diese Zeit der Veränderung ist von sich aus schon mit Irritationen und Erhöhungen in der Schmerzempfindung zu betrachten. Jeder Muskel der wächst fühlt sich an, wie nach einer mühevollen Strapaze. Jedes Band das gedehnt wird, schmerzt mal mehr, mal weniger. Bitte bedenken Sie als Eltern, das ein Kinder ein sehr empfindliches System darstellt, das ständig wächst. Hat ein Kind nun durch einen Sturz oder durch wildes Toben einen Beckenschiefstand,
so sind die Bänder, die das Kreuz-Darmbein-Gelenk halten, überdehnt
- man spricht im Sport von Traumatisierung oder Bänderläsionen. Der
Muskel-Sehnenapparat ist wie beschrieben ebenfalls betroffen. Hier nun ein kleiner
Hinweis: haben Sie als Erwachsener schon einmal eine Muskelzerrung erfahren?
Im Arm, im Bein, im Rücken? Ja? Dann können Sie den kleinen ja beipflichten,
das es nicht nur weh tut, sondern auch die Aktivitäten einschränkt. Die Therapie ist aus verschiedenen Gründen schwierig. Da Kinder, wie beschrieben schmerzempfindlicher sind, reagieren auch die Organe,
in diesem Fall der Muskel-Sehnen-Bänderapparat sensibler und erhöhen
die Spannung der Muskeln. Diese reflektorische Spannung der Muskulatur ist aus
unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten: Erstens bringt jede Abweichung
der funktionell-anatomischen Norm eine erhöhte Muskelanspannung hervor.
Zweitens reagiert ein erkranktes Gebiet, in diesem Fall Rückenmuskeln auf
jeden äußeren Reiz mit einer Abwehrspannung. Medikamentöse Begleittherapien: Um die begleitenden Schmerzen zu reduzieren, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten
aus der Akupressur, der Homöopathie und nicht zuletzt der Chirogymnastik.
Medikamente zur Schmerzbekämpfung oder Muskelrelaxantien lehne ich ab,
da die physiologischen, also natürlichen Abwehrmechanismen des Körpers
außer Kraft gesetzt werden und mögliche Gewebsverletzungen willentlich
in Kauf genommen werden. Dieses sind bisher nur die oberflächlichen, sichtbaren
Unzulänglichkeiten. Kommen wir nun zu den "innerbetrieblichen" Störungen: Ein Gelenk ist etwas aus der Fassung gerutscht, die Bänder sind überdehnt - eine Verletzung ist entstanden. Möglicherweise Gewebszerreißungen mit Blutungen. Der Körper setzt seine seit Jahrtausenden erprobten Mechanismen ein, um dieser Bedrohung Einhalt zu gebieten. Es entsteht im Gewebe eine körpereigene Entzündung, die Reparaturaufgaben durchführt. Bestimmte Pflanzen, Enzyme und Homöopathika haben die Fähigkeit, den Körper in seiner Reparaturarbeit zu unterstützen. Die bekannten thermischen Unterstützungen in Form von Wärme- und Kälteanwendungen sind ebenfalls zu empfehlen und zwar nach der Regel: was gut tut, ist gut! Geben Sie Ihrem Kind nichts, was es nicht will, denn es kann nur schaden. Sind die Fehlstellungen der Gelenk behandelt, beginnt die Therapie des bindegewebigen
und muskulären Halteapparates. Resümee: Wie Sie gelesen haben, ist die ganzheitliche Betrachtung und Denkweise zur
Diagnostik und Wiederherstellung eines Beckenschiefstandes außerordentlich
umfangreich. Friedrich Schelberg |
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Letztes Update ( Monday, 13 July 2009 ) |
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